
Warum ich Revit lieber mag als AutoCAD
Wer kennt es nicht? Da sitzt man vor einem leeren Blatt Papier und weiß nicht, wie man anfangen soll. Regelmäßig stellte sich mir im AutoCAD diese Frage. Womit fange ich an? Macht es Sinn, wenn ich alles auf einen Layer lege und zum Schluss erst zuordne? Vergesse ich dann die Hälfte auf dem ominösen 0‑Layer und drucke zum Schluss die Hälfte nicht? Und überhaupt, gehe ich im Uhrzeigersinn vor? Oder soll ich nach Bauphasen zeichnen? Und wenn das dann irgendwann ein 3D-Modell werden soll? Sind dann nicht wieder zu viele Linien und der Computer gibt keuchend den Geist auf, wenn es ans Umrechnen geht?
Revit ist meine Insel der Seligen. Natürlich gibt es auch hier einiges zu beachten, aber das Problem der leeren Seite hatte ich hier noch nie. Hier werde ich irgendwie wieder zum Kind.
Ich baue mir die Welt wie sie mir gefällt
Revit ist wie mit Bauklötzen spielen. Irgendwie ist alles schon da und man baut sich einfach eine Welt. Ich kann mich noch sehr gut an meine Überwältigung erinnern, als ich zum ersten Mal auf mich alleine gestellt mit dem Programm gestartet bin. Ganz unbedarft habe ich ein paar Wände hingestellt, ein Dach drauf und Fenster und Türen rein. Ich hatte ein Haus gebaut!
Schnell stellte sich bereits beim ersten Probieren ein Hochgefühl ein. Ein Balkon, ein Kamin, ein Parkplatz… alles da, kein Problem. Stahlträger? Pippifax! Eingefügt und fertig. Kein Mühsames skizzieren von Profilen. Alle Informationen sind hinterlegt und im Handumdrehen abrufbar. Innerhalb weniger Stunden hat man das Gefühl, das Programm zu verstehen. Erfolgserlebnisse sind quasi mit programmiert.
Es fühlt sich so viel einfacher an als AutoCAD, intuitiver, ja fast schon urtümlicher. Es ist wie die Sache mit den Bauklötzen. Man schafft etwas! Ist Meister über eine Welt, die scheinbar keine Grenzen kennt, entwirft, baut erste eigene Familien und denkt sich: so einfach kann Arbeiten mit 3D-Modellen sein!
Revit Bauklötze schnitzen
Aber die Bauklötze haben auch ihre Tücken. Irgendwann kommt man an den Punkt, wo die vorhandenen Familien den geforderten Ansprüchen nicht gerecht werden. Man muss sich selber Bauklötze schnitzen, damit es passt.
Das kann am Anfang dann schon mal frustrieren. Denn so einfach, wie sich Revit auf der Benutzerebene zu Beginn präsentiert, ist es dann doch nicht. Im Hintergrund verstecken sich Parameter, Templates und Ebenen, die die Kellerwand auf den Attikavorsprung stellen und sich ums Verrecken da nicht wieder herunter holen lassen. Einen Stahlträger kann man noch so oft verschieben, ständig taucht er an genau der Stelle wieder auf, wo er gar nicht hingehört, oder er produziert einen “Geisterträger” 3 Etagen unter sich und die beiden arbeiten frei nach dem Motto: “entweder wir beide oder keinen von uns”. Und nur weil ein einziges Fenster im ganzen Haus einen anderen Rahmen hat sollen sich ja bitteschön nicht alle gemeinsam ändern.
Nach dem ersten Höhenflug kam recht schnell die Erkenntnis: das muss ich mir von jemandem erklären lassen, der weiß, worauf ich achten muss. Es macht nicht wirklich viel Sinn, einfach drauf los zu modellieren um nach 3 Monaten zu bemerken, dass man auch mit Phasen hätte arbeiten können, um zum Beispiel Altbestand von Neubau zu unterscheiden.
Der geografische Norden war auch so ein Problem, dem ich leider erst bei den ersten Renderings begegnet bin, als die Südseite meines Häuschens so arg im Schatten lag, dass es im Inneren stockdunkel war. Und dass ich mit einem einfachen Tastenkürzel sehr viel weniger umständlich zeichnen kann, habe ich auch erst bei meiner jetzigen Arbeit gelernt, bis dahin hielt ich es mit Adel Talwil… der Weg war kein leichter.

3D klar im Vorteil!
Trotzdem, mir gefällt, dass Revit einem die Möglichkeiten gibt, ein Bauwerk zu erfahren. Es schreckt viel weniger ab, als AutoCAD, es animiert zum Experimentieren. Und auch nach vielen Monaten passiert es mir oft, dass ich über das Modellieren völlig die Zeit vergesse, in der Welt versinke, die ich da selber baue. Ein Effekt, den AutoCAD bei mir nie ausgelöst hat.
Außerdem entwickelt man sehr viel schneller ein Gefühl für die Wirkung des Gebäudes, die Strukturen und das Ambiente, weil das menschliche Gehirn im Normalfall nun mal auf eine dreidimensionale Weltsicht ausgelegt ist. Ich mag diese Motivation, wenn es schnell mal zumindest im Ansatz so aussieht, wie in der echten Welt. Keine abstrakten Linien, kein Kopf-schief-halten um zu verstehen, in welche Richtung die Wand denn nun laufen soll. Einfach ein zweites Fenster aufmachen und dem Gebäude beim Entstehen in Echtzeit zusehen.
Und manchmal, wenn alles nicht so ist wie es sein soll, ist es um einiges befriedigender mit der “Entfernen”-Taste einen ganzen Turm zu zerstören, als einfach nur ein Blatt zu zerknüllen.
Ich kann mir ja schließlich ganz schnell einen neuen Turm bauen. Und der wird viel, viel besser!

Sarah Reinstadler
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